Wenn i(s)ch greeßä bin, will i(s)ch woas Ri(s)chdjes drinke, net nur vädinnte Abbelsaft. (Wenn ich größer bin, will ich was Richtiges trinken, nicht nur verdünnten Apfelsaft)
Freier Wille
Bei unsä Filosoferund (unsä wechentli(s)ch Kneipedreffe) hodd de Klausi wirrämoal ähn wesentli(s)ch Thema oageschnitte.
„Ähn freie Wille hämmä net“, moantä noachäm vierte Gloas Bier, „wä seun all nur Sklave unsrä Driewe un Winsch. Wer woas anners denkt is nur Illusione ufgesesse.“
„Des is gebindeltä Bleedsinn, woasde doa soats“, anworddete de Heunä,de greeßte Kampfdrinkä vun uns Finf, „i(s)ch koann sä wohl enscheide, ob i(s)ch um zwölf nachts orrä erst um zwaa Uhr hoam schleich un mi(s)ch in die Forzkuhl leih.“
„Oh, doa hosde ja deun oagebli(s)ch freie Wille uf ne sä hadd Prob gestellt“, witzelte de Klausi, „ doa hebb i(s)ch moal äh Froag: Koannsde a entscheide, doass de heit Owend nur
noch Abbelsaft dorch deu Keel laafe lässt?“
„Du moanst Ebbelweu? Ja, des koann i(s)ch.“
„Noa, i(s)ch moan pure Abbelsaft, ohne Alkohol.“
De Heunä guckte sä väwerrt un ebbes beleidi(s)cht, als wollte mä ihn iewel väuhze. Deruf bliewä stumm und daht aas Välä(s)chenhaat ähn große Schluck aas seunem Gloas als ob es seun letztä wär un ihm jemoand des Gloas glaa wegnemme däht.
„Doa bisde wohl ädabbt worn, gell?“ bemerkte i(s)ch, de Schor(s)chi, ,„awä mach dä nix draus, mä geht`s, woasses Drinke oageht, aach net anners. Meun freie Wille seun doa aach sä eugeschränkt. Meu fraa Woahl bezieht si(s)ch maastens aach nur zwische Bier un Weu.“
„Wenn i(s)ch koan freie Wille hebb wie du Klausi moanst“, warff de Ludwi(s)ch eu, „denn drifft mi(s)ch a koa perseenli(s)ch Schuld, wenn i(s)ch dä jetz hinnälisti(s)ch deu Porddmonnee klau. I(s)ch seun halt wie i(s)ch bin.“
“Des mag seun“, äwirrerte de Oagespro(s)chene, „awä in däm Fäll däht i(s)ch deu Visaa(s)ch poliern un deu Boa boambeli(s)ch dräre.“
„Wieso denn des ?“ froate de Ludwi(s)ch iwärascht, „kennsde des a net anners rejeln?“
„Noa,koann i(s)ch net! Des is ähn Reflexbewe(s)chung vun mä un ähn freie Wille woas Anneres zu duhn hebb i(s)ch net, noch nettemoal ähn gute Wille.“
Deruf musste wä erst moal lache. Babett(s)che knipfte doann wirrä de Gesprächsfoade:“Die fromm Susann moant awä, mä hädde ähn freie Wille. Zim Baspiel Godd zu diene orrä net. wers net duht, däht äh groß Sind begehe.“
“Ach, die fromm Susann!“ Klausi winkte ab, „ des setzt voraus, dass mä sowas glaabt. Ohne freie Wille gibt`s a koa Sind. Un Glaube koann mä net väorddne, mir schun moal goar net. Wä läwe nemmä im Middelaldä. Selwst unsä Dorffparrä Himmels..schtorm duht des net“
„Awä ohn perseenli(s)ch Schuld wern doch Väbrä(s)chä gezi(s)cht“, bemerkte doa Ludwi(s)ch, laacht äree(s)cht un uugleibi(s)ch „un ähn Volk vun Diebe un Merdä ensteht, waal die doann soage, mä kenne nix defir mä seun halt sowie mä seun.“
„Des is net zu äwadde“, antworddete Klausi, „koa Gesellschaft lässt sowoas zu, egal obs ähn
freie Wille gibt orrä net. Allädings: Die Begriff Schuld un Sind hobbe doann halt nemmä die Bedeitung.“
„Woas soll i(s)ch meunäm Sohn Macko väzähle?“ froate i(s)ch, „du koannst ruhi(s)ch klaue und lieje, du bist halt so wie du bist?“
„Goans eufach“ , moante Klausi, „du soats: Macko, dass du wirrä moal Ribbelkuche schtibitzt host, defir koannsde nix. du seun halt so wie du bist. Awä i(s)ch, de Schor(s)chi koann a nix defir, wenn i(s)ch dä jetz deu Daschegeld kerz orrä goans schtreich, i(s)ch seun halt a wie i(s)ch bin.“
Des kloang fer mi(s)ch logisch un wä woandte uns erst moal wirrä den werkli(s)ch wi(s)chdi(s)che Dinge des Owends zu: Wä beschtellte baam Wert, Mosjö Mondmoann, äh nei Rund
zu drinke und ebbes zu schpoachtle. Sol(s)ch tiefgrindi(s)ch Gebabbel erzei(s)cht ähn gewaldi(s)che Hungä. Klausi, unsä Versbastlä, soate noch:
Qualvoll Schuld und bittä Sind
leese si(s)ch in nix uf goans gschwind
wenn de oagäbli(s)ch freie Will
seun väsunke im Gedoanke-Mill.
Un des bedeit:
Mä hebbe All ähn ruhi(s)ch Gewisse,
drinke uns voll un schlemme die Bisse.
Übersetzung: Bei unsererFilosofenrunde (unserem wöchtlichen Kneipentreffen) hatte der Klausi wieder mal ein wesentliches Thema angeschnitten.
„Einen freien Willen haben wir nicht“, meinte er nach dem vierten Glas Bier, „ wir sind Alle nur Sklaven unserer Triebe und Wünsche. Wer was anderes denkt, ist nur Illusionen aufgesessen.“
„Das ist gebündelter Blödsinn, was du da sagst“, antwortete der Heiner, der größte Kampftrinker von uns Fünf, „ich kann sehr wohl entscheiden ob ich um zwölf Uhr nachts oder erst um zwei nach Hause schleiche und mich in die Furzkuhle (Bett)lege.“
„Oh,da hast du ja deinen angeblich freien Willen auf eine sehr harte Probe gestellt“, witzelte der Klausi, „da hab ich mal eine Frage: Kannst du auch entscheiden, dass du heute abend nur noch Apfelsaft durch deine Kehle laufen lässt?“
„Du meinst Apfelwein? Ja, das kann ich.“
„Nein, ich meine puren Apfelsaft, ohne Alkohol.“
Der Heiner guckte sehr verwirrt und etwas beleidigt als wollte man ihn übel veruhzen (veralbern).Er blieb stumm und trank einen großen Schluck aus dem Glas als ob es sein
letzter wäreund ihm jemand das Glas gleich wegnehmen würde.
„Da bist du wohl ertappt worden, gell?“ bemerkte ich, der Schorschi, „aber mach dir nichts draus, mir geht`s, was das Trinken angeht, auch nicht anders. Mein freier Wille rist da ebenfalls sehr eingeschränkt. Meine freie Wahl bezieht sich meistens auch nur auf Bier und Wein.“
„Wenn ich keinen freien Willen habe wie du Klausi meinst“, warf der Ludwig ein, „dann trifft mich auch keine persönliche Schuld, wenn ich dir jetzt hinterhältig dein Portemonnaie klaue. Ich bin halt wie ich bin.“
„Das mag schon sein“, erwiderte der Angesprochene, „aber in diesem Falle würde ich deine Visage(Gesicht)polieren und deine Beine baumelig treten.“
„Wieso denn das?“ fragte der Ludwig überrascht, „könntest du das nicht auch anders regeln?“
„Nein, kann ich nicht. Das ist eine Reflexbewegung von mir und einen freien Willen, was anderes zu tun, habe ich nicht, noch nicht mal einen guten Willen.“
Darauf mussten wir erst mal lachen. Babettchen knüpfte dann wieder den Gesprächsfaden:
„ Die fromme Susanne meint aber, wir hätten einen freien Willen. Zum Beispiel Gott zu dienen oder nicht. Wer`s nicht macht, würde eine große Sünde begehen.“
„Ach, die fromme Susanne!“ Klausi winkte ab. „Das setzt voraus, dass man sowas glaubt.
Ohne freien Willen gibt`s auch keine Sünde. Und Glauben kann man nicht verordnen, mir schon mal gar nicht. Wir leben nicht mehr im Mittelalter. Selbst unser Dorfpfarrer Himmelssturm macht das nicht.“
„Aber ohne persönliche Schuld werden doch Verbrecher gezüchtet“, bemerkte Ludwig,leicht erregt und ungläubig „und ein Volk von Dieben und Mördern entsteht, weil die dann sagen, wir können nichts dafür, wir sind halt wie wir sind.“
„Das ist nicht zu erwarten“, antwortete Klausi, „ keine Gesellschaft lässt sowas zu, egal ob`s einen freien Willen gibt oder nicht. Allerdings: Die Begriffe Schuld und Sünde haben dann nicht mehr diese Bedeutung.
„Was soll ich meinem Sohn Marko erzählen?“ fragte ich, „du kannst ruhig lügen und klauen, du bist halt so wie du bist?“
„Ganz einfach“, meinte Klausi,“du sagst: Marko, dass du wieder einmal Streuselkuchen
stibitzt hast, dafür kannst du nichts, du bist halt so wie du bist. Aber ich,der Schorschi, kann auch nichts dafür, wenn ich dir jetzt dein Taschengeld kürze oder ganz streiche, ich bin halt auch wie ich bin.“
Das klang logisch und wir wandten uns wieder den wirklich wichtigen Dingen des Abends zu. Wir bestellten beim Wirt, Mosieur Mondmann, eine neue Runde zu trinken und etwas zu essen. Solche tiefgründigen Gespräche erzeugen einen gewaltigen Hunger.
Klausi, unser Versebastler, sagte noch:
Qualvolle Schuld und bittere Sünde
lösen sich in nichts auf ganz geschwind
Wenn der angeblich freie Wille
Ist versunken im Gedanken-Müll.
Und das bedeutet:
Wir haben Alle ein ruhig Gewissen,
trinken uns voll und schlemmen die Bissen.