ö un ü seun abaddi(s)ch ( ö und ü sind abartig)

 

 

Hessischer Dialekt: Die Umlaute ö und ü gibt es nicht

 

Waaßde Klausi?“ fraote Babett(s)che, „wieso bei de hessi(s)che Sproach wä net die

Umlaut ö un ü kenne? Mä babble schtatt hören nur heern un statt Strümpfe nur Schtrimp. Des seun doch ei(s)chenaddi(s)ch.“

„Doa hosde schun rä(s)cht“, daht unsä Schäff-Filosof antwordde, „des ö werd alleweil zu e un des ü maastens zu i. I(s)ch nämm oa, unsre Vofahrn hobbe gesoat, diese bleede Umlaute schaffe mä ab. Viellaa(s)cht wollte se si(s)ch vun de Franzose oabgrenze, die kenne nämli(s)ch sol(s)ch

uri(s)che Laute.  

            Die babble zim Baaspiel Frisör un amüsmoa,

            des heert si(s)ch joa werkli(s)ch abaddi(s)ch oa“.

Wä worn mit unsä Filosoferund wirrä, wie immä, in de Kneip Zim weise Mondmoann. Oam Noachbardisch hockte de oald Siggi vo seunäm Biergloas un heerte konzentriert zu, woas wä so babbelte.

„De Umlaut ä duhn wä awä a benutze“, dahtä zu uns riwä rufe, „ich waaß, wieso  bei uns in Hesse ö un ü fehle un dor(s)ch e un i äsetzt wern“.

Ä guckte ufmerksoam zu uns un nickte, so als wolltä uns glaa ähn Geheumnis väroate.

De Siggi wor oan däm Owend eloa, ohne seune annern werdi(s)che Vädräre Oaldherrerund.


Ä noahm seu Gloas un hockte si(s)ch zu uns.

„De dreißi(s)chjähri(s)che Krie(s)ch hodd des väursacht“, klärtä uns uf, „vohä hobbe die Leit hier a geschwätzt: Wä löse die Problem... un net, wies heit ri(s)chdi(s)ch heiße muss, wä lese die Problem. Un vo vierhunnerd Johrn wurd a noch in Hesse gebabbelt....mä hüppe uf de Wiss un net mä hippe uf de Wiss“.

„Willsde ähn geschtonnene Trappä in de Colt pinkle?“ froate de Klausi uugleibi(s)ch, „hosde sowoas groad äfunne?“

„Noa, iwähaapt net“, winkte de Siggi ab, „des wor nämli(s)ch so.   Im dreißi(s)chjähri(s)che Krie(s)ch seun joa a die Schwede dor(s)ch unsä schee Loand gezouhe. Als denne ihr Keeni(s)ch äh Kuhel aobgekriggt un ins Groas gebisse hodd, konnte si(s)ch die schwedisch Soldoate nemmä benemme. Die hobbe gepliendert wie die Geisteskroanke un wenns nix mäzu plindern goab,doahte se die Leit mit däm Schwededrunk kwäle“.

„Un woas hodd des mit ö un ü zu duhn?“, froate i(s)ch, de Schor(s)chi, uugeduldi(s)ch.

„Wadds ab!“ äwirrerte de oald Siggi, „unnä de Schwede wor ähn Offisier mit de Noame Björn Sörensen. Ä däht aas Lülo kumme, hoddä alleweil gesoat. Diesä Björn Sörensen wor ähn

goans iewlä Uhrumpel, dä hodd des äfunne mit däm Schwededrunk. Un doann hoddä a noch Leit ufgehängt wie ä groad Schpass hodd.     Dä wor die maast gehasst Person in doamoali(s)chä Zaat, zumindest hier in Hesse. Viele Leit hobbe si(s)ch noch Johrzehnte spätä gewei(s)chert

seun Noame aaszuspreche, joa se wollte noch nettemoal Buchstoabe benutze,die zu seunäm Noame geheerte. Besunners de Reibä Ludwi(s)ch, de Volksheld aasäm Ourewoald, daht si(s)ch defier eusetze. Nadierli(s)ch konnte des die Hesse net konsekwent dor(s)chfiehrn. Awä uf die

ös wie in Björn Sörensen und des ü wie in Lülo hobbe die Mensche doann väzichtet.

Innähalb verzi(s)ch bis fuffzi(s)ch Johrn hodd si(s)ch des hier baa uns eugeber(s)chert“.

„Joa,des klingt iwäzei(s)chend“, daht Klausi zugewwe, grinste awä debaa, „genaaso werds gewäse seun“.  

Übersetzung:„Weißt du Klausi?“ fragte Babettchen, „wieso wir bei der hessischen Sprache nicht die Umlaute ö und ü kennen?   Wir sagen statt hören nur heern und statt Strümpfe nur Strimp. Das ist doch eigenartig“.

„Da hast du schon recht“, antwortete unser Chef-Filosof, „das ö wirdimmer zu e und das ü meistens zu i. Ich nehme an, unsere Vorfahren haben gesagt, diese blöden Umlaute schaffen wir ab.Vielleicht wollten sie sich von den Franzosen abgrenzen, die kennen nämlich solche urigen Laute die sagen z.B. Frisörund amüsmoa(amusement).Das hört sich ja wirklich auch abartig an“.

Wir waren mit unserer Filosofenrunde wieder, wie immer, in der Kneipe Zum weisen Mondmann. Am Nachbartisch saß der alte Siggi vor seinem Bierglas und hörte konzentriert zu, was wir so schwätzten.

„Den Umlaut ä benutzen wir aber auch“, rief er zu uns rüber, „ich weiß, wieso bei uns in Hessen

ö und ü fehlen und durch e und i ersetzt werden“.

Er guckte aufmerksam zu uns und nickte, so als wollte er uns gleich ein Geheimnis verraten.

Der Siggi war an jenem Abend allein, ohne seine anderen würdigen Vertreter der Altherrenrunde. Er nahm sein Glas und setzte sich zu uns.

„Der dreißigjährige Krieg hatte das verursacht“, klärte er uns auf, „vorher haben die Leute hier auch geschwätzt: Die Probleme lösen wir...und nicht, wie es richtig heißen muss, wir lese die Probleme.Und vor vierhundert Jahren wurde in Hessen auch noch gesagt.....wir hüpfen auf der Wiese und nicht wir hippe auf der Wiese“.

„Willst du einen gestandenen Trapper in den Colt pinkeln? (auf den Arm nehmen)“fragte der Klausi ungläubig, „hast du sowas gerade erfunden?“

„Nein,überhaupt nicht“, winkte der Siggi ab, „das war nämlich so. Im dreißigjährigen Krieg sind ja auch die Schweden durch unser schönes Land gezogen. Als denen ihr König eine Kugel abbekommen und dann ins Gras gebissen hatte, konnten sich die schwedischen Soldaten nicht mehr benehmen. Die haben geplündert wie die Geisteskranken und wenn´snichts mehr zu plündern gab, quälten sie die Leute mit dem Schwedentrunk“.

„Und was hat das mit ö und ü zu tun?“ fragte ich, der Schorschi, ungeduldig.

„Warte ab!“ antwortete der alte Siggi, „unter den Schweden war ein Offizier mit dem Namen Björn Sörensen. Er würde aus Lülo (Lulea) kommen,hatte er immer gesagt. Dieser Björn Sörensen war ein ganz übler Uhrumpel (sturer,unsymphatischer Mensch),der hatte das erfunden mit dem Schwedentrunk. Und dann hatte er noch Leute aufgehängt wie er gerade Spass hatte.Der war die meist gehasste Person jener Zeit, zumindestens hier in Hessen. Viele Leute haben sich noch Jahrzehnte später geweigert seinen Namen auszusprechen,  ja sie wollten noch

nicht einmal die Buchstaben seines Namens benutzen. Besonders der Räuber Ludwig, der Volksheld aus dem Odenwald, setzte sich dafür ein. Natürlich konnten das die Hessen nicht konsequent durchführen. Aber auf die ös wie in Björn Sörensen und das ü wie in Lülo haben die Menschen dann verzichtet. Innerhalb vierzig bis fünfzig Jahren hatte sich das hier bei uns eingebürgert“.

„Ja,das klingt überzeugend“, gab Klausi zu, aber er grinste dabei, „genauso wird´s gewesen sein.“