„Leddsdens is mä wirrä woas aas meunä Juuchendzaat in meun Kopp gedrunge, des wo heit noch oan goans kloa biss(s)che alleweil in de unnersde Schubloade meunes Herns seun Doaseun friste duht“, babbelte i(s)ch uf de Filosooferund in de Kneip Zim weise Mondmoann.
I(s)ch kippte erst moal ähn kräfdi(s)che Schluck Bier, doann: „So ri(s)chdi(s)ch bewusst worde mä des als meun Seehn(s)che, de elfjähri(s)ch Macko, moante, als du noch ähn Kinn woarst, Schor(s)chi, hodds doch beschtimmt noch koa Audos gegewwe un uf de Stroaße dahte noch viel greeßere Leitäwouhe rim kutschiern, die wo vun Geil gezouhe worn seun.
Noa so woar des net, väbesserte i(s)ch dän Buh, Audos duhts inzwische schun iwä hunnerdzwoansi(s)ch Joahrn gewwe. Die Audos woarn nur net so schnell wie heit un die Stroaße woarn net alle asfaldiert, awä Audoboahne dahts in meunä Kindhaat beraats längst gewwe.“
„Meun fuffzeh Joahr oald Rolfi hodd aach schun ei(s)cheaddi(s)ch Klepps aas seunäm Meil(s)che geschpuckt“, nickte Klausi, „ä moante friehä häm die Leit si(s)chä net so viel Geld gebraacht wie heit un häm aach wohl desweje viel seldenä Schulde gedähdi(s)cht. I(s)ch oantworddete ihm, doa liegste falsch, Rolfi, schun immä hodds viele Leit gegewwe, vielaa(s)cht woarns alleweil die maaste, die wo schtänni(s)ch mä Geld aasgewwe wollte als se hodde.“
„Des is doch kloar“, waff Heunä eu, „des duht deroa leije, waal jingere Mensche un erst rä(s)cht Kinnä un Juuchendli(s)che gewehnli(s)ch vun eunä Geschi(s)chtlosi(s)chkaat bedroffe seun, se kenne si(s)ch halt net so ri(s)chdi(s)ch voschtelle, wie des woar, als se noch net geläbt häm.“
„Genaa, Heunä, du host des ri(s)chdi(s)ch Wordd fer des Fänomeen hier in de Kneiperaam geschleidert: Geschi(s)chtlosi(s)chkaat. I(s)ch vämut, wä all woarn moal devun bedroffe un seuns aach noch heit, zuminnest ebbes.
Baa mä woars fer eune loang Zaat so, doass i(s)ch gefiehlmäßi(s)ch glaabte, de Zaatpunkt null begoann erst als i(s)ch geborn worn bin, genaahä gesoat, als i(s)ch uugefäh dreioanhalb woar. Erst saat diesäm Oaldä koann i(s)ch mi(s)ch zurick äinnern.“
„Des koann doch net seun“, schiddelte Babett(s)che ihrn Kopp, „deu Eldern, häm doch beschtimmt schun vun friehä väzählt als du noch ähn kloanä Buh woarst un frehli(s)ch rim gehippt bist. Un in de Schul hebbdä doch aach schun vum Zwaate un aach vum Erste Weltkrieg geheert.“
„Awä selwstväschtännli(s)ch hebb i(s)ch beraats devun geheert als Kinn un noch mä als Juuchendli(s)chä.
Allädings daht mi(s)ch des päseehnli(s)ch kaam beriehrn, gefiehlsmäßi(s)ch woarn des fer mi(s)ch Äei(s)chnisse, die wo viele Epoche in de Vägoangehaat er(s)chendwo moal schtattgefunne häm, aach wenn se daalwaas nur vo zwoansi(s)ch orrä noch wäni(s)chä Joahrn ins Loand geschtri(s)che seun.“
„Doa is werkli(s)ch woas Woahres droa“, daht Klausi mä beipfli(s)chte.
Mä babbelte noch de goanse Oawend iwä dies Themä, neie Äkenntnisse häm mi(s)ch net (zusäddsli(s)ch) begliggt.
Unsä Schäff-Filosoof un Dorffdi(s)chtä, also de genoannt Klausi, reumte noch de Zwaazaalä:
Gewehnli(s)ch beginnt die Zaat fer uns erst mit de Gebordd
woas vohä woar is im Geschi(s)chtsnebbel eufach fordd.
Übersetzung: „Letztens ist mir wieder was aus meiner Jugendzeit in meinen Kopf gedrungen, welches heute noch ein ganz klein bisschen immer in den untersten Schubladen meines Gehirns sein Dasein fristet“, schwätzte ich auf der Filosofenrunde in der Kneipe Zum weisen Mondmann.
Ich kippte erst mal einen kräftigen Schluck Bier, dann „So richtig bewusst wurd mir das als mein Söhnchen, der elfjährige Marko, meinte, als du noch ein Kind warst, Schorschi, hat es doch bestimmt noch keine Autos gegeben und auf den Straßen kutschierten noch viel größere Leiterwagen rum, gezogen von Pferden.
Nein, das war nicht so, verbesserte ich den Bub, Autos gibt es inzwischen schon über 120 Jahre. Die Autos waren nicht so schnell wie heute und nicht alle Straßen waren asphaltiert, aber Autobahnen gabs in meiner Kindheit bereits längst.“
„Mein 15 Jahre alter Rolfi hatte auch schon eigenartige Klöpse aus seinem Mäulchen gespuckt“, nickte Klausi, „er meinte früher hatten die Leute sicher nicht so viel Geld gebraucht wie heute und hatten auch wohl deswegen viel seltener Schulden gemacht. Ich antwortete ihm, da liegst du falsch, Rolfi, schon immer gab es viele Leute, vielleicht waren es immer die meisten, die ständig mehr Geld ausgeben wollten als sie hatten.“
„Das ist doch klar“, warf Heiner ein, „das liegt daran, weil jüngere Menschen und erst recht Kinder und Jugendliche gewöhnlich von einer Geschichtslosogkeit betroffen sind, sie können sich nicht vorstellen, wie das vor, als sie noch nicht gelebt haben.“
„Genau, Heiner, du hast das richtige Wort hier in den Kneipenraum geschleudert: Geschichtslosogkeit.
Ich vermute, wir alle waren mal davon betroffen und sind es auch noch heute, zumindestens etwas. Bei mir war es für eine lange Zeit, dass ich gefühlsmäßig glaubte, der Zeitpunkt begann erst als ich geboren worden bin, genauer gesagt als ich ungefähr dreieinhalb war. Erst seit diesem Alter kann ich mich zurück erinnern.“
„Das kann doch nicht sein“, schüttelte Babettchen ihren Kopf, „deine Eltern hatten doch bestimmt schon von früher erzählt als du noch ein kleiner Bub warst und fröhlich rum gehüpft bist. Und in der Schule habat ihr doch auch schon vom Zweiten Weltkrieg und auch vom ersten Weltkrieg gehört.“
„Aber selbstverständlich habe ich bereits als Kind davon gehört und noch mehr als Jugendlicher. Allerdings berührte mich das persönlich kaum. Gefühlmäßig wraen das für mich Ereignisse, die viele Epochen in der Vergangenheit irgendwo statt gefunden haben, auch wenn sie teilweise nur vor 20 oder noch weniger Jahren ins Land gestrichen sind.“
„Da ist was Wahres dran“, pflichtete Klausi mir bei.
Wir schwätzten noch den ganzen Abend über dieses Thema, neue Erkenntnisse beglückte mich (zusätzlich) nicht.
Unser Chef-Filosof und Dorfdichter, also der genannte Klausi, reimte noch den Zweizeiler:
Gewöhnlich beginnt die Zeit für uns erst mit der Geburt
Was vorher war ist im Geschichtsnebel einfach fort.
Vergangen ist vergangen, bei Urgroßeltern endgültig
„Vo eunä Woch hämmä iwä des Themefeld Vägoangehaat gebabbelt“, äeffnete Klausi die Filosooferund, „mä kennts aach so aasdricke aas de Aache, aas däm Sinn. Im Alldaachsläwe is des joa eune goans geleifi(s)ch Bemerkung. Deriwwä hebb ich mä dehoam noch ägänsende Gedoanke gemacht un devun eun Videokunstwerk geschaffe. Desweje hebb i(s)ch heit aach heit meun Lebbdobb mit genumme, doamit i(s)ch ei(s)ch doamit begligge koann.
Unsä Schäff-Filosoof daht`s doann oabschpiele loasse:
Hintergrundmusik: Itro & Tobu-Cloud 9 (NCS-Release)
Übersetzung: „Vor einer Woche redeten wir über das Themenfeld Vergangenheit“, eröffnete Klausi die Filosofenrunde, „man könnte es auch so ausdrücken aus den Augen, aus dem Sinn. Im Alltagsleben ist dies ja eine ganz geläufige Bemerkung. Darüber machte ich zuhause noch ergänzende Gedanken un hab davon ein Videokunstwerk geschaffen.
Deswegen hab ich heute auch meinen Läptop mit gebracht, damit ich euch damit beglücken kann.
Unser Chef-Filosof ließ es dann abspielen:
Übersetzung der gesprochenen Worte im Video:
Dinge und liebe Menschen, die wir noch kannten
tun wir vielleicht arg traurig vermissen
und ihre vergilbten Bilder schluchzend küssen.
Wissen, wie sie in die lockend` Kneipen rannten
die Zeit verplemperten mit glücklichem Saufen
mit blöden Sprüchen und schmerzhaftem Raufen.
Doch bereits Urgroßeltern sind im Nebel der Vergangenheit
denen ihr Wirken ist schon längst vergessen, verloren
haben schon längst andere Fürze im Hirn geboren.
Auch falls ihr Beitrag war immens für die Menschheit,
sollte man ihr verrauchtes Tun noch würdigen?
Nein, höchstens an blöden Feiertagen abfertigen.
Die sind halt schon längst gestorben
haben oft nicht viel oder gar nichts erworben.
Die sind für uns endgültig Geschichte
wegen denen wollen wir uns zu nichts mehr verpflichten.
„Halt!“ rufen so manche deppen Klugscheißer,
„ihr seid dumpf gleichgültige Possenreißer.
Das Vermächtnis der Ahnen müssen wir ehren
ein Bierchen auf die niemals verwehren.“
Jawoll, das ist ein schöner Trost
erhebt die Gläser und dann: Prost!