Im Wartezimmer

 

I(s)ch hockte in de Waddestubb vun Hä Antikroank un loangwaalte mi(s)ch. Doa worn noch draa annern Leit. Die juchendli(s)che Julia,verzeh, die Dochtä vom dicke Kall, Soabin, zwaunse(s)chzi(s)ch un Mallies, neinunverzi(s)ch. Doann äschien noch de Rudi, siwwensechzi(s)ch. Des wor fer die zwa Fraae wie ähn Zindfunke.

Sofordd begoanne se uffen euzubabble.

„Hosde alleweil noch fer(s)chdäli(s)che Schmärze im Ricke?“ froate Soabin neigieri(s)ch.

„Woas moacht deu Furunkel am Bobbes?“ froate Mallies mitfihlend, so als däht ihr perseenli(s)ch Gligg devun oabhänge, „seunä wirrä väheilt? Konnsde di(s)ch normoal hiehocke?“

Soviel Froage uf oanmoal schteerte de Rudi net. Ä hockte si(s)ch uf oan fraae Stuhl un väzog leidend seu Gesi(s)cht.  „Des Furunkel is väschwunne“, begoannä addi(s)ch zu beri(s)chte, „die Schmärze im Ricke quäle mi(s)ch oarme Moann Daach un Nacht. Saat euni(s)chä Zaat duh i(s)ch beraats so ähn daubes Gefiehl in de Erm spiern un in de Hend. In de Kneip Zum weise Mondmoann  seun mä scho zwamoal des Biergloas aas de Hoand gerutscht. Sowoas seun doch sä är(s)chäli(s)ch, des kestli(s)che Bier floss erst ufen Disch un doann zu Boode.  Des hebb i(s)ch de Doktä Hä Antikroank väzählt. Ä monate: Se misse iebe mit de Hend, jede Daach viel iebe mit de Hend.“

Un woas moachsde, Rudi?“, froate Mallies, „duhsde mit Hoandeln arweide?“

„Noa“,de Moann schiddelte de Kopp, „i(s)ch drink jede Daach mämoals äh Gloas Bier un duh es alleweil fleißi(s)ch vom Disch zu meu Meil(s)che hebe.“

„Sollsde des werkli(s)ch duhn? Des hodd de Azzt doch net gesoat“, babbelte Soabin uugleibi(s)ch.

„Naja, so direkt hoddäs net gesoat“, väklärte Rudi, „awä so hebb i(s)ch ihn västonne.“

„Unsä Azzt seun äh lusdi(s)ch Person“, setztä des Gespräch fordd, „eunmoal hoddä lachend gewitzelt:

  Die Paddsjente duhn allweil  joammernd simuliern

 die Erzt nur gieri(s)ch ufs Honoroar schtiern.“

 

Rudi schwiech doann erst moal, defier begoann Mallies ihre oagebli(s)che Kronkhaate aasfiehhrli(s)ch doar zu leje. Alle megli(s)che Wehweh(s)che dähte se hoamsuche, klaachte se. Es wär äh Wunnä,doass se noch net im Sar(s)ch leihe däht.

„Viellaacht hebb i(s)ch nur noch zwa Johrn zu läwe“, stehnte se, „meun Vaddä is beraats mit siwwenverzi(s)ch wie ähn nassä Sack baam Kersche roppe vom Baam gesterzt. Meu Muddä seun mit eununfuffzi(s)ch baa nä Woanderung mit däm Ourewoald-Club dood umgefalle.

Aach meu annern Väwoandte seun friehzaati(s)ch gestorbe. Wä seun halt äh Rass, die koa loangläbi(s)che Mensche hävobringt.“

„Wieso kimmsde zu diesä Meunung? Du siehst doch aas wie des bliehende Läwe“, wirräsproach Soabin, „i(s)ch degehe seun äh läwend Studieobjekt fer Kronkeschwestern un Medizinstudente.“

Doa musst i(s)ch zusoamme zucke. I(s)ch hadd die Befer(s)chtung, se däht jetz nervteetend  

loangatmi(s)ch ihr Kroankhaatsgeschicht aasbreite.

Glickli(s)chäwaas koam´s net so. Mallies babbelte waatä. „Leddsdens hadd i(s)ch äh Woanderung mit däm Ourewoald-Club gedähdi(s)cht, iwä zwoanzi(s)ch Kilometä woar die Streck. I(s)ch fiehlte mi(s)ch hinnä hä velli(s)ch aasgelaugt, als hädd i(s)ch geschafft wie ähn Ackägaul.“

„Zwoanzi(s)ch Kilometä seun awä a äh loang Streck“, daht Rudi euwenne, „i(s)ch kennt des net so eufach mache.“

Ach,des is doch nix“, äwirrerte Mallies, „äh Bekannt vo mä hadd sogoar baam Maradohnlaaf in Fronkford daalgenumme und die is eununsechzi(s)ch, i(s)ch awä erst neinunverzi(s)ch. Des hebb i(s)ch aach de Doktä väklickert. Dä moante nur, i(s)ch sollt dächli(s)ch eun poar Kilometä laafe, doann konnt i(s)ch noach ähn poar Monate a Zwoanzi(s)ch orrä mä  Kilometä spielend bewäldi(s)che. So ähn Bleedsinn! Des duht de Azzt eunä doodkroanke Fraa voschlaache! Wennä mä heit koa Medizin väschreiwt, weggsel i(s)ch de Azzt.

Eunmoal hoddä sogoar oan sä beleidi(s)chende Spruch gebabbelt. Ä hodd zwa nur murmelnd geflistert un de Kopp woanners hie gewoandt, awä i(s)ch hebbs deitli(s)ch geheert.“

„So? Woas hoddä denn gesoat?“ froate Soabin neigieri(s)ch.

„Ä grunzte leis:

                           Eubildung seun ähgewaldi(s)ch Kraft

                           des Simuliern hodd die Fraa geschafft.“

 

 

 

 

 

Übersetzung:Ich saß im Wartezimmer von Herrn Antikrank und langweilte mich. Da waren noch drei andere Leute. Die jugendliche Julia,vierzehn, die Tochter vom dicken Karl, Sabine, zweiunsechzig und Marlies, neununvierzig.

Danner schien noch der Rudi, siebenunsechzig. Dies war für die zwei Frauen wie ein Zündfunke. Sofort begannen sie auf ihn einzureden.

„Hast du immer noch fürchterliche Schmerzen im Rücken?“ fragte Sabine neugierig.

„Was macht dein Furunkel am Hintern?“ fragte Marlies mitfühlend, so als würde ihr persönliches Glück davon abhängen, „ist er wieder verheilt? Kannst du dich normal hinsetzen?“

So viele Fragen auf einmal störten den Rudi nicht. Er setzte sich auf einen freien Stuhl und verzog leidend sein Gesicht. „Der Furunkel ist verschwunden“, begann er artig zu berichten, „die Schmerzen am Rücken quälen mich armen Mann Tag und Nacht. Seit einiger Zeit spüre ich so ein taubes Gefühl in den Armen und in den Händen. In der Kneipe Zum weisen Mondmann ist mir schon zweimal das Bierglas aus der Hand gerutscht. So was ist doch sehr ärgerlich, das köstliche Bier floss zuerst auf den Tisch und dann zu Boden. Dies habe ich dem Doktor Herrn

Antikrank erzählt. Er meinte: Sie müssen üben mit den Händen, jeden Tag viel üben mit den Händen.“

„Und was machst du, Rudi?“ fragte Marlies, „arbeitest du mit Hanteln?“

„Nein“,der Mann schüttelte den Kopf, „ich trinke jeden Tag mehrmals ein Glas Bier und hebe es fleißig vom Tisch zu meinem Mäulchen.“

„Sollst du das wirklich machen? Das hat doch der Arzt nicht gesagt“,schwätzte Sabine ungläubig.

„Naja, so direkt hatte er es nicht gesagt“, erklärte Rudi, „aber so habe ich ihn verstanden.“

„Unser Arzt ist eine lustige Person“, setzte er das Gespräch fort, „einmal hatte er lachend gewitzelt:    

                Die Patienten tun immer jammernd simulieren

                Die Ärzte nur gierig auf´s Honorar stieren.“

 

Rudi schwieg dann erst mal. Dafür begann Marlies ihre angeblichen Krankheiten ausführlich darzulegen.Alle möglichen Wehwehchen würden sie heimsuchen, klagte sie. Es wäre ein Wunder,dass sie noch nicht im Sarg liegen würde.

„Vielleicht habe ich nur noch zwei Jahre zu leben“, stöhnte sie, „mein Vater ist bereits mit siebenunvierzig wie ein nasser Sack beim Kirschenpflücken vom Baum gestürzt. Meine Mutter ist mit einunfünfzig bei einer Wanderung mit dem Odenwald-Club tod umgefallen. Auch meine anderen Verwandten sind frühzeitig gestorben. Wir sind halt eine Rasse, die keine langlebigen Menschen hervor bringt.“

„Wieso kommst du zu dieser Meinung? Du siehst doch aus wie das blühendeLeben“, widersprach Sabine, „ich dagegen bin ein lebendes Studienobjekt für Krankenschwestern und

Medizinstudenten.“

Da musste ich zusammen zucken. Ich hatte die Befürchtung, sie würde jetzt nervtötend, langatmig ihre Krankheitsgeschichte ausbreiten.

Glücklicherweise kam´s nicht so. Marlies schwätzte weiter. „Letztens hatte ich eine Wanderung mit dem Odenwald-Club gemacht, über zwanzig Kilometer war die Strecke.Ich fühlte mich hinterher völlig ausgelaugt, als hätte ich gearbeitet wie ein Ackergaul.“

„Zwanzig Kilometer ist aber eine lange Strecke“, wandt Rudi ein, „ich könnte dies nicht so einfach machen.“

„Ach, das ist doch nichts“, erwiderte Marlies, „eine Bekannte von mir hatte sogar beim Marathonlauf in Frankfurt teilgenommen und die ist einunsechzig, ich aber erst neununvierzig.

Dies hatte ich dem Doktor erklärt. Der meinte nur, ich sollte täglich ein paar Kilometer gehen, dann könnte ich nach ein paar Monaten auch zwanzig Kilometer oder mehr spielend bewätigen.

So ein Blödsinn!  Das schlägt ein Arzt einer todkranken Frau vor! Wenn er mir heute keine Medizin verschreibt, wechsle ich den Arzt.

Einmal hatte er sogar einen sehr beleidigenden Spruch gesagt. Er hatte zwar nur murmelnd geflüstert und den Kopf woanders hingewandt, aber ich habe es deutlich gehört.“

„So? Was hatte er dann gesagt?“ fragte Sabine neugierig.

„Er grunzte leise:

 

                     Einbildung ist eine gewaltige Kraft

                     das Simulieren hat die Frau geschafft.“(hier im Sinne:niedergestreckt)